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Sicherheit und Innovation gehen heute Hand in Hand

Die Digitalisierung prägt nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft, sondern hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf unser Verständnis von Sicherheit. Im Interview spricht der CTO des Swiss Safety Center Oliver von Trzebiatowski über die sich ständig wandelnde Natur der Sicherheit und wie das Swiss Safety Center mit agilen Sicherheitspraktiken und innovativen Ansätzen darauf reagiert.

Das Interview mit Oliver von Trzebiatowski wurde von Matthias Mehl, einem unabhängigen Journalisten, für die Fachzeitschrift Bilanz durchgeführt und in einer gekürzten Version publiziert.

 

Das Sicherheitsverständnis und -bedürfnis haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Wo orten Sie die grössten Veränderungen?

Im Zeitalter der Digitalisierung und der rasanten technologischen Entwicklung, hat sich das Verständnis von Sicherheit grundlegend gewandelt. Risiken und Gefahren verändern sich ständig und entstehen fortlaufend wieder neu. Sicherheit kann nicht mehr als ein einmal erreichter und dann fixer Zustand betrachtet werden. Stattdessen ist die Sicherheit eine sich ständig verändernde Grösse, die kontinuierlich neu definiert und den neuen Herausforderungen angepasst werden muss. In dieser Sicherheitskultur muss Sicherheit als flexibler und agiler Prozess verstanden werden, der nicht starr und hemmend empfunden werden darf. Gleichzeitig ist dadurch der Umgang mit Unsicherheiten immer entscheidender, was uns persönlich auch gerade durch die vielschichtigen globalen Krisen der heutigen Zeit bewusst wird. Technologische Entwicklungen bieten jedoch auch Chancen, neue Formen von Sicherheit zu schaffen. Voraussetzung dafür ist, dass wir neue Sicherheitslösungen entwickeln, um Vertrauen und Akzeptanz in die Technologie aufzubauen.
Flexibilität und Sicherheit sind nicht länger Gegensätze, sondern Verbündete in einer sich schnell verändernden Welt. Unser Motto: "Mit Sicherheit in die Zukunft" erhält in diesem Kontext erst seine wahre Bedeutung.

 

In der heutigen sich schnell verändernden Welt ist agile Sicherheit von entscheidender Bedeutung. Wie implementiert das Swiss Safety Center agile Sicherheitspraktiken und wie trägt dies zur Anpassungsfähigkeit gegenüber neuen Risiken bei?

Im Zeitalter der "Industrie 4.0", gekennzeichnet durch komplex vernetzte technische Einrichtungen, sind agile Sicherheitspraktiken erforderlich, die ein neues systemisches Verständnis von Sicherheit bedingen. Unsere Risikobewertungen beschränken sich nicht mehr allein auf die Beurteilung einzelner Risikofaktoren von Maschinen, Druckgeräten, dem Explosionsschutz, Brandschutz und der Datenübertragung. Vielmehr erfordert das Risikomanagement eine umfassende Betrachtung der Schnittstellen und eine systemische Herangehensweise an die Sicherheit. Die Entwicklungen im Megatrend Konnektivität bergen auch zusätzliche systemrelevante Gefahren und Risiken, wie zum Beispiel im Bereich der Cybersicherheit.

 

Innovation und Sicherheit scheinen auf den ersten Blick im Widerspruch zu stehen. Wie lassen sich diese beiden Aspekte vereinen?

In der heutigen Zeit gehen Innovation und Sicherheit Hand in Hand, man könnte sagen: eine Symbiose statt eines Widerspruchs. Der neue Trend "Trust Technology" gewinnt hier erhöhte Aufmerksamkeit. Zukünftige technische Innovationen müssen Transparenz, Vertrauen und Sicherheit bieten – Forderungen, die durch unsere Expertise im Bereich technischer Sicherheit und Risikomanagement bestmöglich erfüllt werden können. In zahlreichen durch Innosuisse geförderten Projekten und in Technologie-Hubs sind wir ein integraler Bestandteil – von Beginn an, um die technologische Entwicklung mit agilen Sicherheitslösungen zu begleiten. Damit werden Sicherheit, Transparenz und Vertrauen geschaffen, was die erfolgreiche Umsetzung und Etablierung der Innovation erst gewährleistet.

Umgekehrt tragen Innovationen in signifikanter Weise zur Erhöhung der Sicherheit bei. Durch unseren Innovationsfonds fördern wir gezielt Innovationen in unseren Kernbereichen Testing, Inspection und Certification (TIC), die einen Mehrwert für den TIC-Prozess schaffen oder sogar das Potenzial zur Disruption haben. Beispielsweise können Roboterdrohnen Inspektionsarbeiten in gefährlichen oder schwer zugänglichen Bereichen ergänzen. Darüber hinaus ermöglichen Fortschritte in der Sensortechnologie in Verbindung mit künstlicher Intelligenz erhebliche Verbesserungen, indem sie intelligente und automatisierte Inspektions- und Prüfprozesse durch bildbasierte Analysen ermöglichen. Zusätzlich erörtern wir Anwendungen der Blockchain-Technologie im Bereich der Zertifizierung, was eine Neuausrichtung der Transparenz und Sicherheit in der gesamten Zertifizierungskette darstellt. Um nur wenige Beispiele zu nennen.

 

Sicherheit ist ein Megatrend, der sich in vielen Bereichen wie Nachhaltigkeit oder  Kreislaufwirtschaft manifestiert. Wie sieht die Interaktion zwischen Sicherheit und diesen Themen aus, und wie passt die Tätigkeit des Swiss Safety Centers in dieses Gesamtbild?

Die Gewährleistung der Sicherheit ist schon eine grundlegende Voraussetzung für Nachhaltigkeit. Unser Beitrag zur technischen Sicherheit von Anlagen vermeidet Schäden und fördert somit eine effiziente und schonende Nutzung der Ressourcen. Als Partner im Verein zur Dekarbonisierung der Industrie entwickeln wir Sicherheitslösungen bei neuartigen Konzepten der Dekarbonisierung, wie z.B. der Methanpyrolyse zur Trennung von Kohlenstoff und Wasserstoff oder bei der Synthese von Methan aus elektrolytischem Wasserstoff – Bereiche, in denen bisher keine festen Sicherheitsstandards existieren. In der Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung - z.B. von Stahlträgern - entwickeln wir Zertifizierungsprozesse für diese Produkte, die flexibel auf die unterschiedlichen Anforderungen der Wiederverwendung ausgerichtet sind. Damit schaffen wir das Vertrauen und die Sicherheit beim erneuten Einsatz dieser Produkte.

 

Eine positive Sicherheitskultur ist für Unternehmen von zentraler Bedeutung. Wie fördert das Swiss Safety Center eine Sicherheitskultur sowohl intern als auch bei seinen Kunden und Partnern?

Als Kompetenzzentrum für technische Sicherheit und Risikomanagement bietet das Swiss Safety Center über seine eigene Akademie mehr als 300 Kurse zu relevanten Themen an. Diese Kurse stehen sowohl Mitarbeitenden als auch Kunden und Partnern zur Verfügung und decken eine breite Palette von Sicherheitsthemen ab.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie in der zunehmenden Integration von Sicherheitsaspekten in innovative Technologien, wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Blockchain?

Die Einführung fortschrittlicher Technologien führt zu einer zunehmenden Komplexität von Risiken und Gefahren, was eine bedeutende Herausforderung darstellt. In diesem Kontext sind neue und agile Sicherheitslösungen gefragt, die sich an neue Entwicklungen und Risiken anpassen können. Gerade die disruptive Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) ist ein schönes Beispiel. Die Forderung nach Transparenz und Vertrauen ist hier gross. Wie sehen diese Sicherheitslösungen aus, um diesem Anspruch gerecht zu werden? Ansätze der Regulierung sind gerade am Entstehen.

 

Welche Chancen sehen Sie für neue Sicherheitsaspekte durch innovative Technologien, wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Blockchain?

Hinsichtlich der Chancen bieten KI und IoT innovative Analysemethoden und ermöglichen eine Echtzeitüberwachung, die das effizientere Erkennen und Minimieren von Sicherheitsrisiken ermöglicht. Insbesondere die Fähigkeit der KI zur "vorausschauenden Analyse" ist ein wertvolles Werkzeug, um Risiken frühzeitig zu identifizieren und präventive Massnahmen einzuleiten. Zudem trägt die Blockchain-Technologie, die für ihre hohe Sicherheit und Resistenz gegen Manipulationen bekannt ist, wesentlich zur Transparenz und Integrität bei. Durch die dezentrale und sichere Speicherung sämtlicher Transaktionen oder Tätigkeiten eröffnen sich völlig neue Perspektiven für die Transparenz der Sicherheits- oder Lieferkette.

 

Wie kann das Swiss Safety Center Unternehmen bei der Identifizierung und Bewältigung von Sicherheitsrisiken in ihren innovativen Projekten unterstützen?

Unsere umfassende Expertise in den Bereichen Testing, Inspection und Certification (TIC) sowie im Risikomanagement befähigt Unternehmen zur Entwicklung sicherer Produkte und Prozesse. Diese tiefgreifende Kompetenz ist entscheidend für agile und risikobasierte Sicherheitskonzepte. Denn Agilität setzt ein stabiles Fundament in der Sicherheitskompetenz voraus. Darüber hinaus nutzen wir diese Fachkenntnisse, um vollautomatische Prüfkonzepte zu entwickeln, die modernste Technologien wie Robotik, Machine Vision, Sensorik, IoT und künstliche Intelligenz integrieren. Ein Beispiel hierfür ist unsere Anlage Autosonic®, die die Prinzipien der Industrie 4.0 beispielhaft umsetzt und demonstriert.

 

Welchen Rat würden Sie Unternehmen geben, die ihre Sicherheitspraktiken im Kontext von Innovation und den genannten Megatrends verbessern möchten?

Die Entwicklung einer Kultur, in der Sicherheit als dynamischer und fortlaufender Prozess verstanden wird, ist entscheidend. Die Herausforderung besteht darin, mit Unsicherheiten umzugehen und Disruptionen als Chancen zu betrachten. In dieser komplexen Welt muss sich auch die Verantwortung der Sicherheit verschieben weg vom Staat hin zur Gesellschaft und schliesslich auch zu jedem einzelnen. Sinnbildlich finde ich dazu folgendes Zitat sehr passend: "Der sicherste Ort für ein Schiff ist der Hafen, aber dafür wurde es nicht gebaut." Es geht um den Mut mit Unsicherheiten umzugehen, der Bestimmung zu folgen und dabei den "sicheren Hafen" zu verlassen. Denn ohne Unsicherheit kann nichts Neues entstehen.